Donnerstag, 12. Juni 2014

Nebelwerfer 4

Vorwärts und nie vergessen: die So-li-da-ri-tät!

Auch so ein Wort, das durch täglichen Missbrauch abgenutzt und mürbe geworden ist. Oder war es damals schon verschlissen, als man jubelnd singend danach marschierte, von Brecht die Worte, von Hans Eisler die Melodie?
Organisierte deutsche Schriftsteller, die stets gern laut in den Chor eingefallen sind, haben mit der Solidarität jedenfalls kein Glück gehabt. Mit dem Anschluss des Verbands Deutscher Schriftsteller an die Arbeitergewerkschaft Verdi haben sie zwar ihre Solidarität bewiesen, aber jetzt spricht niemand mehr von ihnen. Der VS ist unbesungen im «Großen Ganzen» untergegangen.
Solidarität ist eine Einbahnstraße. Die einen geben, die anderen empfangen. Solide, echt und fest im Ursprungsinn des Wortes ist meist nur noch der Händedruck dabei. Sofern er noch stattfindet.
Denn wofür sich noch bedanken, wenn man Solidarität einfordern darf? Vom Hohelied des Proletariats ist sie zum Mantra des Fürsorgestaats geworden. Der nennt gern Solidarität, wenn er was will, und er will eigentlich immer etwas, also Geld. Und das Schöne dabei: Statt bloß mit der Arbeiterklasse verbrüdert der brave Steuerzahler sich gleich mit dem gesamten Gemeinwesen.
Vorbildlich in diesem Sinne ist die nun schon fast 24 Jahre die deutsche Einheit finanzierende Zwangsabgabe namens «Solidarzuschlag». Kein Name könnte genialer sein. Die Kosten der Einheit sind zwar längst abgeschrieben, aber was man hat, das hat man. Auf Solidarität verzichten? Undenkbar.
In der Hölle schmort derweil der Steuersünder, der sein Geld nicht freiwillig hergibt. Seit dem Fall moralischer Größen wie Ulli Hoeneß oder Alice Schwarzer steht das deutsche Volk geeint zusammen in tief empfundener Solidarität: egal, ob der Staat mit dem, was ihm im Sinne höherer Moral überlassen wird, solide umgeht und ohne die bescheidene Nachfrage, warum es nötig ist, dass er sich auch bei ständig steigenden Einnahmen immer noch weiter verschuldet.
Hoch die Solidarität! Vorwärts ist längst vergessen.

In: Schweizer Monat, Mai 2014


1 Kommentar:

  1. Es vergeht kein Tag, an dem deutsche Medien, Universitäten, Politiker, Industrie- oder Sozialverbände oder auch der gewöhnliche Bürger auf den Mangel an fähigen Problemelösern hinweisen. Die Gesellschaft könnte ihre Probleme lösen, daran ersticken oder sie in die Zukunft verschieben. Doch was tun die Intellektellen? Sie geben sich ihrem Narzismus, ihren Neurosen hin. Sie üben sich in Selbstverwirklichung, Selbstbeweihräucherung und Imagepflege. Genau dieselben Leute, unter denen es als höchst verwerflich und dekadent gilt, Taugenichtse, Tolpatsche, Dummbeutel, chronisch Kranke, Assoziale und sonstige gescheiterte Existenzen einfach in Ruhe zu lassen und nicht permanent auf ihre Arbeitsfähigkeit und -willigkeit abzuklopfen, alle, die beim bloßen Gedanken an ein allgemeines Grundeinkommen den Untergang des Abendlandes vor Augen haben, genau die finden nichts Kritikwürdiges daran, wenn sich hoch gebildete und fähige Leute ihr Leben lang der geistigen Selbstbefriedigung hingeben.

    Nachdem sie bis zum Abschluss ihrer Ausbildung einen Haufen Ressourcen verbraten haben, ziehen sie sich in geschützen Reservate zurück und nennen sich fortan Künstler, Schriftsteller, Journalisten, Politologen, Medienexperte oder Sonstwie-Wissenschaftler. Wie immer sie ihr Reservat nennen, ist natürlich nicht das Problem, wenn sie nur etwas Nützliches leisten würden, das die Gesellschaft voran bringt. Aber das wird ja von ihnen gar nicht verlangt. Nun mag es sein, es liegt daran, dass sich Intellektuelle ihrer gebildeten Natur nach besser vor Leistung drücken und besser aus Vorwürfen heraus argumentieren können. Wenn es diesen Vorwurf überhaupt gäbe. Es scheint aber, als genüge es der Allgemeinheit, wenn sich diese Leute alle selber finanzieren können, mit welchen Tricks und Kunstgriffen auch immer. So weit und so effizient, dass alle Behauptungen, sie würden dem Gemeinwesen auf die eine oder andere Weise zur Last fallen, schon an der äußersten Außenhaut ihrer Reservate abperlen. Also an den Instituten, Stiftungen und Verbänden für Weißderteufelwas. Sehr wahrscheinlich werden sie sich sogar empören, es ruchlos und infam finden, ihnen Nutzlosigkeit oder organisierte Klugscheißerei vorzuhalten oder das, was ich schlicht „Arbeitsverweigerung der Intellektuellen“ nenne. Daran wird das Abendland zugrunde gehen. Nicht an denen, die mit Sport, Macht oder Unterhaltung definitiv zu viel Geld einstreichen. Und auch nicht am Bodensatz der Verzeifelten dieser Gesellschaft. Wenngleich sich mit denen gut Propaganda treiben lässt. Zur Ablenkung vom Wesentlichen. Wenn Sie das nicht glauben, schauen Sie Sich doch einfach mal um.

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